DEPECHE MODE | „GLOBAL SPIRIT“ TOUR 2017
Der Mensch ist ja bekanntermaßen ein Gewohnheitstier. Und je älter man wird, umso ausgeprägter wird das. Gewohnheit muss aber nicht immer schlecht sein. Vor allem dann nicht, wenn es auf die eigene Lieblings Band bezogen ist. Denn wenn diese ebenfalls Gewohnheiten an den Tag legt, nach denen sich schon ausrechnen lässt, wann das nächste Album und die nächste Tour ansteht, dann hat das sogar sehr viel für sich. Bei Depeche Mode findet sich diese Gewohnheit und Routine nun schon seit 2009. Nicht nur der Release Zyklus ist seit dem annähernd gleich, auch die daran angeknüpften Touren finden mehr oder weniger im gleichen Zeitfenster statt. Speziell wenn man die aktuelle Welt Tournee mit der letzten vergleicht, fällt das ziemlich deutlich auf. Es ist irgendwie skurril, wenn man auf Facebook an ein besuchtes Konzert von 2013 erinnert wird und gerade zwei Tage vorher erst auf einem Konzert der Band war, allerdings in einer anderen Stadt.
Am Album „Spirit“ scheiden sich ja nach wie vor die Geister. Die einen finden es grandios, die andern das schlechteste, was die Band je gemacht hat. Man muss zugeben, dass man sich in das Album erst reinhören muss. Das spricht aber eher für das Album als dagegen. Man konnte durchaus gespannt sein, wie dieses doch sehr anspruchsvolle Album live umgesetzt wird. Ein weiteres „hoch“ auf die Routine: auch diesmal engagierte man wieder Haus und Hof Fotograf Anton Corbijn, zum einen für das „Revolution“ Video, zum anderen für das Stage Design und die Hintergrundprojektionen. Soviel vorweg: auch diesmal machte Corbijn wieder einen super Job.
Als dann endlich die Tour Daten veröffentlicht wurden, ging das nächste Phänomen los, das mittlerweile aber auch genug andere Bands betrifft: der Ticket Wahnsinn. Der Standard DM Hardcore Fan ist ja der Meinung, dass er zum einen direkt bei Vorverkaufstart alle seine Tickets kaufen muss, weil er sonst nicht mehr rein kommt. Zum anderen muss er auch gleich Dutzende Tickets kaufen in der Erwartung, immer eine andere Setliste zu hören. Ich kann mich bei dem Thema leider auch nicht komplett rausnehmen, allerdings habe ich 2017 bei mir schon festgestellt, dass dieser Wahnsinn deutlich nachgelassen hat. Man wählt seine Tickets nun eher nach dem Aspekt „praktisch“ und „möglichst wenig fahren“ aus und dann optimalerweise gepaart mit Konzerten, die gegebenenfalls noch eine „big surprise“ beinhalten könnten. Die Kombination aus beidem ergab bei mir dann die Städte Amsterdam und das Doppelkonzert in Hannover. Das reichte mir bisher völlig aus. Amsterdam hatte ich ausgewählt, weil es erst das zweite Konzert der Tour war und man sich so einen gewissen Überraschungsfaktor – auf die Setliste bezogen – erhalten konnte. Sprich, man wusste noch nicht im Detail, was gespielt wurde. Im Nachhinein betrachtet war das genau die richtige Entscheidung, denn so wirkte die Setliste auf mich ganz anders. Sie war sehr kurzweilig und in sich unglaublich stimmig. Das habe ich selten auf einer Tour von Depeche Mode so erlebt. Bei den Hannover Konzerten war da bei mir schon deutlich mehr Routine drin, was aber auch nicht schlimm war.
Was auf das Thema Setliste bezogen bei dieser Tour ziemlich krass auffällt, ist, dass Depeche Mode diesmal ausnahmslos jeden Abend das gleiche spielen. Das gab es auf den vergangenen Touren so nicht. Ein weiterer Punkt in der Routineliste. Das ist natürlich umso ärgerlicher für die Leute, die bereits oben erwähnt wurden, und sich nun Dutzende Konzerte nach dem gleichen Schema anschauen dürfen. Einen Kritikpunkt muss man bei der neuen Tour definitiv aber anbringen: auch wenn man diese Routine als Band mag (in dem Falle Depeche Mode), kann man als Konzertbesucher, der teilweise über 100 € für ein Ticket auf den Tisch legt, durchaus verlangen, dass man eine gewisse Varianz an Songs geboten bekommt. Eine Band ist nämlich für die Unterhaltung seiner Fans zuständig und nicht umgekehrt. Das Thema bezieht sich übrigens nicht nur auf die Konzerte der aktuellen Tour, sondern auch auf die Songauswahl generell, wenn man die Touren miteinander vergleicht. Lässt man die neuen Lieder auf der „Global Spirit“ Tour mal außenvor, so befindet sich in der aktuellen Setliste gerade mal ein Song, der nicht auch schon 2013 und 2009 gespielt wurde. Und sowas kann bei jedem, der nicht der Standard NDR 2 Hörer ist, irgendwann Langeweile auslösen. Aber gut, jeder ist seines Glückes Schmied, und das bezieht sich in erster Linie auf die Fans. Diese Band hat hunderte Songs zur Auswahl und darunter mal locker so viele bekannte Singles, dass sie damit an zwei Abenden hintereinander zwei völlig unterschiedliche Sets spielen könnten. Aber sie tun es nicht, weil sie irgendwie auch gefangen sind in ihren eigenen Strukturen. Eine von vorne bis hinten durchgetaktete Show fordert am Ende ihren Tribut in Form mangelnder Flexibilität. So toll Anton Corbijn’s Projektionen und Videos auch sind, manchmal wäre weniger dann doch mehr. Und um gleich mit allen Missverständnissen aufzuräumen: ich verlange hier nicht, gesetzte Standards wie „Never let me down again“, „Personal Jesus“ oder „Enjoy the silence“ wegzulassen. Die müssen einfach gespielt werden. Aber es gibt dazwischen einfach genug Raum für Individualität.
Wie oben erwähnt habe ich auf der aktuellen Tour Konzerte in Amsterdam und Hannover gesehen. Die Show war überall die gleiche mit Ausnahme des zweiten Hannover Tages, wo Martin Gore andere Songs als üblich sang: „Shake the disease“ in der von der letzten Tour bekannten Piano Version und erstmal ebenfalls als Piano Version „Strangelove“. Das sind genau die Überraschungen, auf die man als Fan spekuliert, aber eben viel zu selten bekommt. Ebenfalls angedeutet habe ich bereits, dass die Setliste an sich sehr kurzweilig war. Es war ein perfekter Mix aus alt und neu und was diesmal extrem positiv auffiel, war, dass während der ersten fünf Songs schon ordentlich die Post abging. Das war auf den vergangenen Touren eher nicht so. Alleine schon „So much love“ als zweiter Track mit einem urtypischen Anton Corbijn schwarz/weiss Video ist zu Anfang einfach ein Highlight. Ebenso das druckvolle „Barrel of a gun“ und der ebenfalls auf der letzten Tour schon gespielte Remix von „A pain that I’m used to“. Der Albumtrack „Corrupt“ ist ebenfalls eine schöne Überraschung im Set und neben „Wrong“ das einzige, was von „Sounds of the universe“ gespielt wird. Dafür wurde das letzte Album „Delta machine“ leider komplett aus der Setliste gestrichen. Fast wie üblich konzentriert man sich auf die Hitalben „Violator“, „Songs of faith and devotion“ und merkwürdigerweise nur mit einem Track auf „Music for the masses“ (Hannover 12.06. mal außenvor gelassen). Endlich wird auf der Tour auch wieder „Never let me down again“ als Finale des Hauptparts vor den Zugaben gewählt. Der Song gehört da einfach hin. Ein weiteres Highlight folgt dann im Zugabenblock, von dem es diesmal nur einen einzigen gibt, der dann aber fünf Songs enthält. Es geht um die David Bowie Coversion „Heroes“ in einer sechs Minuten Version und stumm wehenden schwarzen Fahnen auf den HD Screens. Man kennt zwar die Hintergründe, warum die Band das spielt, aber ein paar Worte dazu von Dave wären trotzdem schön gewesen. Und mal abgesehen davon ist es die erste Coverversion, die Depeche Mode seit 1990 wieder live spielen. Damals war es der Song „Route 66“.
Insgesamt hat die Band einen tierischen Spaß auf der Bühne und harmonieren nach wie vor perfekt zusammen. Und das ist genau das, was einen am Ende dann immer wieder versöhnlich stimmt und hoffen lässt, dass man diese Live Parties noch ganz oft erleben darf. Wie oft man das selber noch mitmacht, steht zwar auf einem anderen Blatt, aber momentan fällt es definitiv noch schwer, sich diesem Gefühl zu entziehen. Denn Depeche Mode sind halt nicht nur ein Lebensgefühl, sondern für die meisten der Soundtrack ihres Lebens und so lässt man sein Leben immer wieder gerne an sich vorbeiziehen.